Bürgermeisterwahl in Spandau endet im Desaster
Freitag, 28. Oktober 2011
Demokratisches Verhalten sieht anders aus
Am 27. Oktober sollte in der konstituierende Sitzung der Bezirksverordnetensitzung in Spandau der Bezirksbürgermeister gewählt werden.
Um 17 Uhr begann die konstituierende Sitzung der BVV. Die Zuschauerränge waren bis zum letzten Platz gefüllt. Auch die Pressebank war so voll, wie nie zuvor. Zwei Altbürgermeister saßen auf der Bank der Ehrengäste: Werner Salomon (SPD, 1979 bis 1992) und Sigurd Hauff (SPD, 1992 bis 1995). Dazu das Mitglied des Abgeordnetenhauses Raed Saleh (SPD), das Mitglied des Bundestages Kai Wegner (CDU) sowie das Mitglied des Bundestages, Swen Schulz (SPD). Über mangelndes Interesse konnte nicht geklagt werden.
Die Alterspräsidentin wies auf die deutlich geringer ausgefallene Wahlbeteilung in diesem Jahr (59 %) hin, im Vergleich zu 2006 (68 %). Dies sei eine deutliche Mahnung an die Politik, etwas gegen die Politikverdrossenheit der Bevölkerung zu unternehmen. Ein ehrliches und faires Miteinander für die nächsten 5 Jahre sollten oberstes Leitmotiv der Verordneten sein, schließlich sollten die Politiker sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein.
Dann kam alles ganz anders!
Frank Bewik von der CDU wurde mit 52 Ja-Stimmen zum Vorsitzenden der BVV gewählt. Er begann mit den Worten: „der Souverän hat entschieden, aber er hat es der Politik nicht ganz leicht gemacht“. Damit spielte er auf ungewöhnlichen Mehrheitsverhältnisse an, die dazu führen könnte, dass die SPD trotz CDU-Mehrheit im Bezirksamt den Bürgermeister stellen will. Er prophezeite schwierige 5 Jahre mit langen Entscheidungsfindungsprozessen, hoffte aber, dass keine unnötigen großen Schlachten ausgetragen werden.
Die Wahl zum Bezirksbürgermeister nahm ihren Gang. Christian Hass, Fraktionsführer der SPD, bestätigte noch einmal Helmut Kleebank als Kandidaten der Zählgemeinschaft von SPD und GAL.
Helmut Kleebank bekam noch einmal die Gelegenheit, sich vorzustellen. Er stellt sich der Wahl „im Bewusstsein der großen Aufgabe“. Er sieht sich als Bürgermeister in der Verantwortung für das „große Ganze“. Personalaufgaben, das Facility-Management und die Finanzen will er im Amt des Bürgermeisters bündeln. Seine Aufgaben sieht er u. a. in den Bereichen soziale Stadt, Jobcenter und EU-Förderung. Das Zitat einer Tageszeitung „in Spandau will ein Bürger Bürgermeister werden“ war für ihn ein passende Beschreibung der Situation.
Arndt Meissner von der CDU betonte noch einmal, die CDU wäre in Spandau die stärkste Kraft. Die Wahl der Spandauer wäre eine Bürgermeisterwahl gewesen. Er sah darin einen deutlichen Gestaltungsauftrag für die CDU, den diese durch die Nominierung von Carsten Röding wahrnehmen wolle, der über eine größere Erfahrung in der Verwaltung verfüge, als sein Gegenkandidat. „Leider kann die CDU ihren Vorschlag aufgrund der Gesetzeslage nicht einbringen“. Auch er sah in der Zukunft einen Wettstreit um die besten Ideen in der BVV.
Christian Hass (SPD) betonte, der 18.September wäre ein Tag für Spandau gewesen. Der Wähler wolle nun keine Politik des Stillstandes mehr. Vielmehr sein ein Wechsel angesagt. In der zukünftigen Politik der SPD solle der Bürger mehr einbezogen werden. Helmut Kleebank, der durchaus über ausreichend Verwaltungserfahrung verfüge, sei der Garant für die vom Wähler gewünschte Veränderung.
Die geheime Wahl des Bezirksbürgermeisters nahm ihren Gang. In Namentlicher Reihenfolge traten die BVV-Mitglieder in die Wahlkabine und gaben ihre Stimme ab. Ergebnis des ersten Wahldurchgangs: 27 Stimme für Helmut Kleebank und 27 Stimmen dagegen. Die Überraschung war perfekt. Zahlgemeinschaft plus Piraten und LINKE wären theoretisch auf 31 Stimmen gekommen. Wenn man unterstellt, dass Piraten und LINKER bei der Stange geblieben sind, dann gab es vier Abweichler bei der SPD.
Ein weiterer Wahlgang wurde also notwendig. Auch dieser endete mit dem gleichen überraschenden Ergebnis. Niemand in der BVV hätte vorher damit gerechnet! 28 Stimmen hätten für eine erfolgreiche Wahl von Helmut Kleebank zum Bezirksbürgermeister von Spandau gereicht.
Die SPD bat um Unterbrechung der Sitzung. Der Ältestenrat wurde einberufen. Die Fraktionen tagten. Wie ist in diese verfahrenen Situation aufzulösen? Der Wunsch kam auf, die BVV-Sitzung auf den 2. November zu vertagen.
Theoretisch könnte dieses Wahlprozedere endlos weiter gehen. Das Landeswahlgesetz regelt den Fall einer Patt-Situation nicht. Die CDU wollte nun einen 3. Wahldurchgang. Über die Vertagung sollte in einer geheimen Wahl abgestimmt werden. Die SPD entzog sich dieser Abstimmung, indem sie geschlossen den Sitzungsaal verließ, einschließlich der GAL und des Verordneten der LINKEN. „Es herrsche noch Diskussionsbedarf in der Fraktion“, so die SPD. Die CDU kritisierte dieses Vorgehen als undemokratisch.
Auf Antrag der Piraten wurde die Beschlussfähigkeit der BVV überprüft. Nur 26 von 54 Verordneten waren noch anwesend. 28 wären für eine Beschlussfähigkeit notwendig gewesen. Die Sitzung wurde auf den 2. November vertagt.
Die Zuschauerränge hatte sich im Laufe der Stunden deutlich geleert.Gerade einmal ein sechstel der Sitze war noch besetzt. War dies ein Beispiel der Politik für eine demokratische Willensbildung? Werden die Ränge auch beim nächsten Mal wieder so voll werden, wie heute?
Wohl nicht …
Ralf Salecker
Zu finden unter: News
Über den Autor: